Entlastung des Vorstands im Verein: Anspruch, Arten und Ablauf
In jeder Mitgliederversammlung spielt der Bericht des Vorstands eine zentrale Rolle: Er gibt Auskunft darüber, welche Maßnahmen der Vorstand im Berichtszeitraum ergriffen hat, um die Vereinsziele zu erreichen. Auf die Vorstellung dieses Berichts folgt meist die Entlastung des Vorstands – ein entscheidender Schritt, der Vertrauen signalisiert und den Vorstand von der persönlichen Haftung für bekannte Vorgänge befreit.
Doch was bedeutet Entlastung genau, wer darf darüber abstimmen, und unter welchen Voraussetzungen schützt sie tatsächlich vor Ansprüchen? In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige: Von den rechtlichen Grundlagen über die unterschiedlichen Arten der Entlastung bis hin zu praktischen Fallbeispielen aus dem Vereinsalltag.
Was bedeutet Entlastung des Vorstands?
Mit der Entlastung des Vorstands verzichtet die Mitgliederversammlung auf rückwirkende Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand und spricht ihn von der persönlichen Haftung frei. Wenn der Vorstand entlastet wird, ist das gleichbedeutend mit einem Vertrauensbeweis gegenüber dem Vorstand.
Wichtig: Diese Entlastung gilt nur für Sachverhalte, die der Mitgliederversammlung auch bekannt waren. Sie ist also kein Freifahrtschein.
Hat der Vorstand einen Anspruch auf Entlastung?
Einen Anspruch auf Entlastung gibt es nicht.
„Habe ich meine Arbeit gut gemacht, muss mich die Mitgliederversammlung auch entlasten.“
So oder so ähnlich denken viele Vereinsvorsitzende. Das ist verständlich, aber leider falsch. Richtig ist: Weil der Gesetzgeber die Entlastung des Vorstands nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt hat, haben Sie nur dann einen Anspruch auf Entlastung, wenn Ihre Satzung hierfür eine Grundlage bietet (OLG Köln NJW-RR 1997 S. 483).
Der Vorstand muss in seinem Bericht auf der Mitgliederversammlung umfassend über alle Angelegenheiten informieren, die für die Beurteilung seiner Geschäftsführung erforderlich sind. Nur eine vollständig informierte Mitgliederversammlung kann die Entlastung beschließen. Dass die Satzung dem Tagesordnungspunkt „Entlastung des Vorstands“ vorsieht, begründet noch keinen Anspruch auf Entlastung zu beschränken.
Welche Arten der Entlastung des Vorstands gibt es?
Über die Entlastung kann für jedes Vorstandsmitglied
- einzeln
- oder für den gesamten Vorstand gemeinsam abgestimmt werden
Für den Fall, dass die Satzung dazu keine Regelung trifft, entscheidet darüber die Mitgliederversammlung durch Mehrheitsbeschluss.
Ebenso ist es möglich, die Entlastung
- zeitlich (auf einen bestimmten Zeitabschnitt der Amtsdauer)
- oder gegenständlich (auf bestimmte Geschäfte bzw. Vorstandsbereiche)
zu beschränken.
Gilt ein jahrelang praktizierter Entlastungsantrag auch ohne Satzungsgrundlage?
Wird in Ihrem Verein trotz fehlender Satzungsgrundlage seit Jahren wie selbstverständlich über die Entlastung abgestimmt, können Sie dieses Verfahren weiterhin praktizieren. Es hat sich ein „Vereinsbrauch“ entwickelt.
Trotzdem gilt: Die Entlastung wird nur erteilt, wenn die Mitgliederversammlung die Geschäftsführung des Vorstands für einwandfrei hält. Mit der Entlastung signalisiert die Mitgliederversammlung: „Lieber Vorstand, wir stellen dich von Haftungsansprüchen frei!“ Sie wirkt wie ein Verzicht und ist nicht anfechtbar, sofern der Beschluss ordnungsgemäß zustande gekommen ist.
Was passiert, wenn der Vorstand nicht entlastet wird?
Wird dem Gesamtvorstand oder einzelnen Vorstandsmitgliedern die Entlastung verweigert, drückt die Mitgliederversammlung damit ihre Missbilligung über die Vereins- oder Kassenführung aus. Mehr noch: Sie behält sich damit vor, eventuell bestehende Schadenersatzansprüche später beim Vorstand geltend zu machen solange sie bei dem Beschluss über die Entlastungsverweigerung nicht ausdrücklich darauf verzichten.
Liegt ein solcher Verzicht nicht vor, müssen die nicht betroffenen Vorstandsmitglieder beziehungsweise die Mitglieder des Nachfolgevorstandes die Ansprüche verfolgen und notfalls auch gerichtlich durchsetzen.
Muss überhaupt eine Entlastung des Vorstands erfolgen?
Gesetzlich ist dies nicht vorgesehen. Aber: Die Antwort liefert häufig (aber nicht immer) die Satzung. Ist dort geregelt, dass eine Entlastung zu erfolgen hat, muss dies auch geschehen. Selbst wenn in der Vergangenheit immer eine Entlastung erfolgte oder der Tagesordnungspunkt „Entlastung“ in der Mitgliederversammlung (MV) vorgesehen ist, wird über die Entlastung abgestimmt.
Abstimmung und Mehrheitsbeschluss
Der Beschluss erfolgt als Mehrheitsbeschluss und muss nicht einheitlich ausfallen. Die Mitgliederversammlung kann über jedes Vorstandsmitglied gesondert abstimmen. Einzelne Mitglieder können entlastet werden, während anderen die Entlastung verweigert wird.
Teilnahme an der Abstimmung
Wird über einzelne Vorstandsmitglieder abgestimmt, dürfen diese nicht an der Abstimmung teilnehmen. Ob über alle Mitglieder in einem einzigen Beschluss entschieden wird oder jedes Mitglied gesondert entlastet wird, entscheidet die Mitgliederversammlung soweit die Satzung keine andere Regelung vorsieht.
Rechte nicht entlasteter Vorstandsmitglieder
Nicht entlastete Vorstandsmitglieder sind nicht wehrlos. Fühlen Sie sich durch die Verweigerung der Entlastung zu Unrecht angegriffen, können Sie gerichtlich feststellen lassen, dass die behaupteten Ersatzansprüche nicht bestehen. Ein entsprechendes Urteil bestätigt die Entlastung des Vorstands und hat darüber hinaus rechtliche Wirkung über die Mitgliederversammlung hinaus. Daher sollten Vorstände, denen die Entlastung verweigert wurde, dieses Rechtsmittel in Betracht ziehen.
Gibt es eine Entlastung des Vorstands ohne Kassenprüfung?
Möglich ist es, die Regel ist es eher nicht. Wenn ein Verein keine Kassenprüfer hat, kann natürlich auch keine Kassenprüfung durchgeführt werden. Folglich wird es auch keinen Kassenprüfbericht geben. Trifft dies auf einen Verein zu, dann sind Kassen- und Rechenschaftsbericht entscheidend. Verständlicherweise gibt es dann auch keine Kassenprüfer, die die Entlastung vorschlagen. Die Vorstandsentlastung wird dann stattdessen vom Versammlungsleiter vorgeschlagen.
Sind für den Verein allerdings Kassenprüfer vorgesehen, diese aber (noch) nicht im Amt, muss die Entlastungserteilung möglicherweise verschoben werden. Gleiches gilt für den Fall, wenn zum Beispiel zwei Kassenprüfer vorgesehen waren, aber einer für längere Zeit ausfällt. Dann gibt es jedoch auch die Möglichkeit, die Prüfung dennoch durchzuführen. Vorab muss der durchführende Kassenprüfer in der Versammlung abstimmen lassen, ob eine Kassenprüfung mit nur einem Prüfer gewünscht ist.
Warum mit der Entlastung Ihre persönliche Haftung nicht immer endet
In der ordentlichen Mitgliederversammlung erstatten Sie als Vorstand den Mitgliedern Bericht über Ihre Tätigkeit. Im Anschluss hieran berichten in der Regel die Kassenprüfer über das Ergebnis ihrer Prüfung. Dann wird meist von einem Mitglied die „Entlastung des Vorstands“ beantragt und hierüber abgestimmt. Viele Vorstände fragen sich dann: Bin ich nach der Entlastung aus der persönlichen Haftung raus?
Rechtlicher Hintergrund
Wenn Sie als Vorstand durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung entlastet werden, handelt es sich um ein sogenanntes „negatives Schuldanerkenntnis“ im Sinne des § 397 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das heißt konkret: Schadenersatzansprüche kann der Verein nach einem solchen Beschluss nicht mehr gegen Sie oder andere Vorstandsmitglieder geltend machen.
Das ist zu tun: Wurden Sie von der Mitgliederversammlung „entlastet“, können Sie durchatmen. Voraussetzung ist allerdings, dass die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- 1. Ordnungsgemäße Kassenprüfung: Voraussetzung für einen wirksamen Entlastungsbeschluss ist, dass Sie den Kassenprüfern die Bücher und Aufzeichnungen über die Geschäftstätigkeit Ihrer Organisation übersichtlich und vollständig zur Verfügung gestellt haben. Haben Sie hier bewusst Informationen zurückgehalten oder in einer unübersichtlichen Buchführung „versteckt“, sind Sie von der persönlichen Haftung trotz Entlastungsbeschluss nicht frei.
- 2. Vollständige Information: Gleiches gilt, wenn Sie in Ihrem Jahresbericht bewusst wichtige Informationen, insbesondere über die finanzielle und wirtschaftliche Situation Ihrer Organisation, zurückhalten oder die Tatsachen so verschleiern, dass die Mitgliederversammlung über die tatsächlichen Gegebenheiten getäuscht wurde.
Leserfragen und Fallbeispiele
Frage 1 – Muss der Vorstand separat entlastet werden?
Nein. Eine separate Entlastung einzelner Vorstandsmitglieder erfolgt nur, wenn die Satzung oder eine Geschäftsordnung dies vorsieht.
Mit der Entlastung befreit die Mitgliederversammlung den Vorstand für das vergangene Jahr bzw. die zurückliegenden Jahre von der Haftung für alle Punkte, die den Mitgliedern bekannt gemacht wurden (z. B. Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden, Kassenbericht) oder ohnehin bekannt sind. Ein Vorstand sollte daher nicht freiwillig auf diese Freistellung verzichten.
Wichtig: Ein wirksamer Beschluss über die Entlastung kann nur erfolgen, wenn der Tagesordnungspunkt „Entlastung des Vorstands“ ausdrücklich aufgenommen wurde (§ 32 Abs. 1 BGB).
Nicht vergessen: Vorstandsmitglieder dürfen bei der Abstimmung über ihre eigene Entlastung nicht mitstimmen (§ 34 BGB). Andernfalls ist der Beschluss fehlerhaft.
Frage 2 – Unter welchen Umständen sollte eine Teilentlastung erfolgen?
Die Entlastung betrifft den Vorstand und gegebenenfalls den Schatzmeister, der – je nach Satzung – Vorstandsmitglied sein kann. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, kann die Mitgliederversammlung:
- den Vorstand als Gesamtheit entlasten oder
- nur einzelne Vorstandsmitglieder entlasten.
Die Entlastung kann weiter untergliedert werden: Bei Anlass kann sie auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld beschränkt oder für bestimmte Geschäfte verweigert werden.
Frage 3 – Kann man eine verweigerte Entlastung nachholen?
Ja. Hat der Vorstand die erforderlichen Belege nachgereicht, um die ordnungsgemäße Verwendung von Mitteln nachzuweisen, kann die Entlastung in einer der kommenden Mitgliederversammlungen nachgeholt werden – vorausgesetzt, der Tagesordnungspunkt wurde ordnungsgemäß aufgenommen.
Rechtsanspruch: Einen einklagbaren Anspruch auf Entlastung gibt es nicht. Vor Gericht lässt sich allenfalls feststellen, dass keine Ansprüche des Vereins gegen den Vorstand bestehen. Eine gerichtliche Entscheidung ersetzt die Entlastung durch die Mitgliederversammlung jedoch nicht.
Frage 4 – Darf der Verein trotz erfolgter Entlastung noch Ansprüche gegen den Vorstand geltend machen?
Grundsätzlich erlöschen Ersatzansprüche des Vereins gegen den Vorstand mit der Entlastung. Die Mitgliederversammlung signalisiert damit ihr Einverständnis mit der Geschäftsführung des Vorstands für den im Rechenschaftsbericht abgedeckten Zeitraum. Die Entlastung wirkt wie ein Verzicht oder negatives Schuldanerkenntnis.
Wichtige Einschränkung: Die Entlastung erfasst nur Ansprüche und Vorkommnisse, die den Mitgliedern bei der Beschlussfassung tatsächlich bekannt waren oder bei sorgfältiger Prüfung hätten auffallen müssen. Offensichtliche Unstimmigkeiten, die im Bericht erkennbar sind, gelten als bekannt.
Praxisbeispiel: Wird ein Kassenstand falsch dargestellt, z. B. bei Einnahmen und Ausgaben ein offensichtlicher Fehlbetrag nicht bemerkt, kann die Mitgliederversammlung später argumentieren, dass die Entlastung trotz des Fehlers erteilt wurde.
Frage 5 – Wie geht man bei der Entlastung des Vorstands richtig vor?
In den meisten Vereinen besteht der Vorstand aus mehreren Personen, was unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Entlastung ermöglicht:
- Gesamtentlastung: Alle Vorstandsmitglieder werden in einem einzigen Abstimmungsvorgang entlastet.
- Einzelentlastung: Über die Entlastung jedes einzelnen Vorstandsmitglieds wird separat abgestimmt.
Die Satzung kann Vorgaben machen, wie vorzugehen ist. Selbst wenn die Satzung die Gesamtentlastung vorsieht, kann jedes stimmberechtigte Mitglied verlangen, dass über jedes Vorstandsmitglied einzeln abgestimmt wird.
In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich gleich die nächste Frage:
Frage 6 – Wer darf bei Teilentlastungen überhaupt abstimmen?
Klare Antwort: Stimmberechtigt ist jedes Mitglied, das in der Mitgliederversammlung anwesend ist, soweit die Satzung keine anderen Regelungen vorsieht. Vorstandsmitglieder, die entlastet werden sollen, dürfen nicht mitstimmen, auch nicht, wenn sie zwischenzeitlich aus dem Amt ausgeschieden sind, aber für ihre Amtszeit entlastet werden sollen.
Nicht betroffene Vorstandsmitglieder dürfen nur dann an der Abstimmung teilnehmen, wenn ein gemeinschaftlicher Verantwortungsbereich bestand. Grundsätzlich soll niemand abstimmen, der im relevanten Zeitraum als Entscheidungsträger oder Kontrollorgan beteiligt war.
Mehrheit und Entscheidungsfreiheit: Die Entlastung erfordert in der Regel eine einfache Mehrheit, sofern die Satzung nichts anderes vorsieht. Jedes stimmberechtigte Mitglied muss frei entscheiden können. Ist die Entlastung beschlossen, kann der Verein gegen die entlasteten Vorstandsmitglieder keine Schadenersatzansprüche mehr geltend machen.
Umfang der Entlastung:
- Zeitraum der Entlastung
- Voll- oder Teilentlastung
- Bei Teilentlastung: positive Angabe der Tätigkeiten/Geschäfte oder negative Angabe, welche ausgeschlossen sind